Online Advertising: Ist es eine Falle?

Neulich scrolle ich durch meinen Twitter Feed und stoße auf einen Tweet vom SEO-Altmeister Rand Fishkin, in dem die Sinnhaftigkeit von digitaler Werbung in Frage gestellt wird.

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In der verlinkten Case Study berichtet David James (Gründer von totalcarcheck.co.uk) darüber, wie er sämtliche bezahlte Werbung für sein Unternehmen eingestellt hat und keinerlei negative Konsequenzen daraus resultiert sind.

Darüber hinaus werden noch Beispiele von anderen Websites erwähnt, die ihre digitalen Werbekampagnen gestoppt haben, ohne Umsatzverlust befürchten zu müssen. eBay hat beispielsweise schon vor Jahren damit aufgehört, auf seinen eigenen Namen und viele andere Keywords bezahlte Anzeigen in Suchmaschinen zu schalten – wenngleich für manche Keywords doch noch Google Ads genutzt werden – mit dem Ergebnis, dass sich das Unternehmen Millionen über Millionen an Werbekosten erspart hat, während der Umsatz gleich blieb.

vergleich search ads unternehmen
Amazon schaltet Search Ads auf seinen eigenen Namen, aber eBay nicht.

Als ich das gelesen hatte, war ich hooked

Zwar ist mir bewusst, dass Maßnahmen für Inbound Marketing (etwa die Kombination aus SEO und Content Marketing) langfristig wesentlich kostengünstiger in der Kundenakquise sind, als klassisches Push-Marketing – das ist auch das zentrale Thema unseres kostenlosen Whitepapers

Aber, dass Online Advertising so gar nichts bringen soll, also so gar nicht GAR NICHT, würde mich dann doch überraschen.

Darum habe ich zu der Thematik mal recherchiert. Und what… the… fuck… was ich dabei herausgefunden habe, hat mich mehr als nur ein Kopfschütteln gekostet.

Get Rich or Die Buying – Das Problem mit Digital Ad Spend

Weisheiten von klugen und/oder berühmten Persönlichkeiten zum Thema “Werbung” gibt es genug:

  • “Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso die Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.” – Henry Ford
  • “Werbung ist teuer, keine Werbung ist teurer.” – Paolo Bulgari
  • “The money goes where the eyeballs go.” – Keine Ahnung

Der kommerzielle Fisch hat schon lange angebissen und überschüttet digitale Plattformen mit Geld, um zu sehen und gesehen zu werden. Weltweit wird digitaler Ad Spend 2022 sogar über 500 Milliarden US-Dollar verschlingen. Tendenz stark steigend.

“Werbung gehört zum Unternehmertum dazu. Schließlich machen es alle anderen auch, also muss ich da irgendwie mithalten.”, so oder so ähnlich lautet wohl der Glaubenssatz, wenn es um bezahlte Werbeanzeigen geht. 

In dem sich verdichtenden Dschungel der digitalen Werbemöglichkeiten, ist eine häufige Taktik von Unternehmen, einfach lauter zu brüllen (=mehr Geld bezahlen) als alle anderen. Ob die Rechnung in 2 Jahren aufgegangen sein wird, ist mit Blick auf das bestehende Quartal erstmal irrelevant. 

Die teilweise gewaltigen Werbebudgets sind nicht gerade Peanuts. Im Gegenteil, sie werden zu großen Teilen von Experten abgesegnet, die genau kalkuliert haben, dass es ihnen einen positiven ROAS (Return on Ad Spend) einbringen wird… oder?

Ökonomisch betrachtet ist die nachweislich positive Auswirkung von digitaler Werbung jedoch alles andere als eindeutig, besonders über längere Zeiträume.

Die Frage, die sich kein Digital Marketing Manager zu stellen traut, ist doch: “Habe ich gerade Geld ausgegeben, um Kunden zum Kauf zu bewegen, die sowieso und auch ganz ohne Werbung bei mir gekauft hätten?” 

Wirklich herauszufinden, wer von den mit der Werbeanzeigen interagierenden und anschließend kaufenden Personen, ohnehin gekauft hätte, ist jedoch absolut unmöglich. Nachweisbare Marketing Attribution ist ein schwarzes Loch

Glücklicherweise kann man sich mithilfe von Versuchen jedoch herantasten, um herauszufinden, wie effektiv digitale Werbemittel tatsächlich für die Neukundengewinnung sind. 

In der Suchmaschinenwerbung liegt ein ähnlicher Schritt wie bei eBay nahe. Stoppe für einen begrenzten Zeitraum (zumindest für 5 Wochen) alle Kampagnen im Suchnetzwerk und beobachte die Folgen. 

Wenn dein Gehirn von diesem Vorschlag schon in den Panikmodus wechselt, ist das ein Signal dafür, dass dein Unternehmen ohnehin zu stark von einer einzigen Marketingform abhängig ist. 

Bei Display-Anzeigen wird es deutlich schwieriger, die Personen herauszufiltern, die auch ohne die Werbekampagne bei uns gekauft hätten. Eine Studie an der Northwestern University hat jedoch versucht, genau das herauszufinden. Dabei wurden 15 Experimente von US-Unternehmen durchgeführt, um die Effektivität von Werbeanzeigen auf Facebook zu messen.

Das Ergebnis: Der Selektionseffekt (=Personen, die eine Werbeanzeigen sehen, aber sowieso konvertiert wären) ist wesentlich höher als der Werbeeffekt (=Personen, die nur deshalb gekauft haben, WEIL sie die Werbeanzeige gesehen haben). Mit “wesentlich höher” ist dabei nicht selten der Faktor 10 oder höher gemeint.

Mit anderen Worten: Es wird viel Geld verbrannt, um Personen zu erreichen, die gar nicht mehr erreicht werden müssen. Und zwar verdammt viel Geld!

Als würde man einem Bus hinterher laufen, in dem man eigentlich schon drin sitzt.

nobody wants your ads

Wir sprechen hier übrigens auch nicht von Retargeting Ads, sondern von normalen Werbekampagnen, die über Facebook eine definierte Zielgruppe erreichen soll, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit die gewünschte Konversion auslöst. 

Und genau hier liegt die Wurzel des Übels. Denn die Algorithmen der digitalen Werbeplattformen optimieren eine Kampagne so, dass die Werbeanzeige jenen Personen ausgespielt wird, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Konversionen auslösen.

Was im ersten Moment logisch und nützlich klingt (wer will schon uninteressierte Personen erreichen?) stellt sich, im Kontext des bisher beschriebenen Problems, als Tücke heraus. Klarerweise ist eine Konversion bei eben genau den Personen am wahrscheinlichsten, die das Unternehmen schon kennen oder vielleicht schon treue Kunden sind. 

Fehlende Kekse als Todesstoß

Jetzt nimm die eigentlich gar nicht so attribuierbaren Ergebnisse und multipliziere die Ungewissheit mit so vielen Cookies, wie du essen kannst. Dann wird schnell klar, warum Digital Advertising nur für die Unternehmen nachweisbar profitabel ist, welche die Werbeanzeigen verkaufen.

Mit strenger werdenden Richtlinien für den Schutz der Privatsphäre und der Verpflichtung, die User ihre Cookie-Präferenzen selbst festlegen zu lassen, sinkt die Messbarkeit der Marketingmaßnahmen wieder in Richtung analogen Medien.

Ob der Glaube an die Werbewirkung trotzdem weiterhin stark bleiben wird, wird sich erst im Laufe der Zeit zeigen. Schlechte Ausreden, um mit ineffektiven Methoden fortzufahren, gibt es schließlich genug.

Schlechte Ausreden oder berechtigte Argumente?

“Na, und? Solange der ROI positiv ist und wir mehr herausbekommen, als wir hineinstecken, ist es doch egal, wen die Werbekampagne erreicht. Hauptsache sie läuft profitabel!!” – das höre ich schon die ersten Marketing Manager und Agenturen denken, die sich gerade in ihrer Existenz bedroht fühlen.

Ein berechtigtes Argument, könnte man meinen. Immerhin besteht die Aufgabe des Marketings darin, den Umsatz des Unternehmens zu steigern. Und wenn die Marketingabteilung richtig gut ist, steigert sie dadurch sogar den Gewinn.

Halt Stopp, nicht so schnell!

Das ist ungefähr so, als würde man sagen “Ist mir doch egal, wie mein Haus gebaut wird und ob viel Geld für unnötige Dinge ausgegeben wird. Solange ich ein Dach über dem Kopf habe interessiert mich der Rest nicht!”. 

Jeder Mensch ärgert sich, wenn er Kapital für Produkte oder Dienstleistungen ausgibt, die sich später als vollkommen unnötig herausstellen. Das gilt genauso für Marketingkampagnen.

Qualifizierte Marketingleute nehmen sich Input zu Herzen und reflektieren, statt direkt nach der ersten Ausrede zu suchen, weil die Effektivität ihrer Arbeit in Frage gestellt wird. 

Man kann sich immer in etwas verbessern. Und wenn mehrere Studien darauf hindeuten, dass Online Ads womöglich nicht so toll sind, dann ist es die Aufgabe des Marketings diese These für das eigene Unternehmen zu überprüfen. Im Endeffekt kann man davon nur profitieren.

Entweder man findet heraus, dass die Werbeanzeigen sehr profitabel Neukunden gewinnen oder die Kampagnen stellen sich als weniger effektiv heraus, als bisher geglaubt und man kann sich nach Alternativen zum bisherigen Vorgehen umsehen.

Das führt uns direkt zum nächsten Punkt…

Was ist die Alternative?

Nach all dem Bashing gegen Online Advertising stellt man sich jetzt zurecht die Frage, ob es denn überhaupt eine Alternative gibt und wie diese aussehen kann.

Man kann doch nicht einfach darauf warten, bis die Kunden ihren Weg von selbst zum Unternehmen finden. Obwohl… eigentlich kann man das schon!

Denn:

  1. Viele Menschen wissen ja bereits, dass sie zu dir wollen, wie das Beispiel von eBay und anderen zeigt. 
  2. Man kann im digitalen Zeitalter mittels einer Kombination aus Content Marketing und SEO (Suchmaschinenoptimierung) dafür sorgen, dass Personen, die dein Unternehmen noch nicht kennen, auf deiner Website landen.

Klarerweise sind wir als Agentur im SEO-Bereich voreingenommen, was das betrifft. Darum bitte alles kritisch hinterfragen, was wir (und alle anderen im Internet) von uns geben. 

Aber der Vorteil von Punkt 2 ist leicht erklärt: Personen haben ein Bedürfnis und suchen online nach einer Lösung. Sie gehen proaktiv dabei vor und klicken von selbst auf deine Website in den Ergebnissen einer Suchmaschine. Sie haben damit nicht das Gefühl, dass sie aufgrund von Werbung, auf deine Website kamen (Werbeeffekt), sondern haben selbst gewählt, genau hier zu landen (Selektionseffekt).

Das ist wohl auch der Grund, warum Statistik über Statistik zeigt, dass Inbound Leads wesentlich günstiger sind, als Outbound Leads. Das sehen wir auch bei unseren Kundenprojekten, die wir langfristig betreuen. Mit steigender Zahl der organischen Website-Besucher sinkt die Customer acquisition cost. 

Oder, wie einer unserer Kunden den Nagel dieses Artikels auf den Kopf traf: “Patrick, wir können keine langfristigen Ziele mit kurzfristigen Maßnahmen erreichen!” (das war übrigens die Antwort auf die Frage, warum er sich für die Zusammenarbeit mit uns entschieden hat).

Will ich damit sagen, dass jedes Unternehmen unbedingt SEO machen soll?
Nein, natürlich nicht.

Will ich damit sagen, dass kein Unternehmen mehr auf Werbung setzen sollte?
Nein, natürlich nicht.

Was ich aber auf jeden Fall damit sagen will, ist, dass es sauteuer ist, sich nur auf bezahlte Werbeanzeigen zu verlassen, um Neukunden zu erreichen. Zumal man einfach nicht nachweisen kann, wie effektiv eine Werbekampagne wirklich war. Wer das nach diesem Artikel und dem Lesen der verlinkten Quellen immer noch bestreitet, lebt wohl an der Realität vorbei.

Das hat nichts mit nachhaltigem Wirtschaften zu tun – eine Sache, die auch jede Marketingabteilung berücksichtigen sollte.

Ein Wort zu den Ausnahmefällen

Selbstverständlich gibt es einige Ausnahmen, wann es für Unternehmen durchaus berechtigt ist, Online oder Offline Advertising zu nutzen. Das gilt zum Beispiel für junge Unternehmen, die noch niemand kennt. In den Beispielen weiter oben ist meist von großen und bekannten Playern die Rede, welche sich bereits einen Namen gemacht haben.

Wenn dein Unternehmen aber noch niemand kennt, dann musst du deine Existenz und dein Angebot ja irgendwie kommunizieren. Digitale Werbemaßnahmen können hierbei eine attraktive Möglichkeit sein, um an erste Kunden zu kommen. Sei dir nur bewusst, dass in dem Fall der Werbeeffekt genauso wirkt. 

Aus dem Grund tun sich junge Unternehmen auch so schwer damit, ihre ersten Kunden zu akquirieren, sofern sie nicht auf ein bestehendes Netzwerk zurückgreifen können – es ist eben verdammt teuer, Unbekannte mittels Werbung zu zahlenden Kunden zu konvertieren.

Wir schalten ebenfalls Werbung auf Linkedin, um unser Whitepaper bzw. den Download dafür zu bewerben. Wir machen das nicht, weil wir davon überzeugt sind, dass User, welche auf die Anzeige klicken, direkt zum Kunden konvertieren (obwohl das nice wäre). Stattdessen laden wir Interessenten dazu ein, sich Informationen herunterzuladen, falls diese für sie relevant sind. Im Austausch für den Download bekommen wir Kontaktdaten und können diese Leads weiterhin mit Informationen versorgen. 

Somit müssen unsere Werbemittel nicht direkt zum Kaufabschluss führen. Das wäre im B2B-Segment, wo es um große Summen und langfristige Partnerschaften geht, sowieso unsinnig.

Schlusswort: Nichts ist selbstverständlich und nichts ist nur schwarz-weiß

Es geht klarerweise nicht darum, ob bezahlte Werbung per se gut oder schlecht ist. Vielmehr sollte die Sinnhaftigkeit der Verhältnisse überdacht werden. Einfach nur Werbung zu schalten, um Werbung zu schalten und weil es eben alle so machen, bringt jedenfalls keinem Unternehmen nachweisbaren Gewinn. 

Abgesehen davon hängt es stark von Industrie, Marktteilnehmern, potentiellen Kunden und zig anderen Faktoren ab, ob und wie viel Budget für bezahlte Werbeanzeigen zur Verfügung gestellt werden sollte.

Pauschalaussagen über das Marketing von fremden Unternehmen, die man nicht individuell durchleuchtet hat, zu treffen ist immer schwierig und selten sinnvoll. Die Wahrscheinlichkeit, dass du die Effektivität deiner Werbekampagnen genauer überprüfen solltest, ist mit diesem Artikel aber vermutlich gestiegen.

Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie du organisch die richtigen Leute auf deine Website holst und bessere Leads generierst, dann lade dir gern unser Whitepaper zu diesem Thema herunter (ohne Angabe von Kontaktdaten).

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